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Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte

Forschung

Aktuelle Forschungsprojekte

Gefährdete Gesellschaft. Gewaltwahrnehmungen am Ende des 20. Jahrhunderts

Prof. Dr. Svenja Goltermann

In den letzten 50 Jahren hat sich die Vorstellung davon, was Gewalt ist, erheblich gewandelt und ausgeweitet. Anders als noch im Jahr 1960 bezeichnet das Wort heute nicht mehr allein physische, sondern ebenso emotionale und psychische Verletzungen. Auch Sprechen kann eine Form der Gewalt sein. Das Projekt untersucht, wie, warum und mit welchen Effekten sich in Europa im ausgehenden 20. Jahrhundert das Gewaltverständnis veränderte. Es setzt sich von Studien ab, die Gewalt «an sich», bevorzugt Kriege und politische Gewalt, untersuchen. Das Projekt fokussiert hingegen nicht-staatliche, interpersonelle Gewalt und macht das breite Gewaltverständnis der Gegenwart als Ergebnis historischer Deutungsverschiebungen sichtbar. Dies eröffnet einen neuen Blick auf grundlegende Herausforderungen, mit denen die Gesellschaften des 21. Jahrhunderts konfrontiert sind.

Arbeit am Wir. Soziale Nähe und Demokratie in Westdeutschland

Peter Fritz

Wie wurden die Westdeutschen Demokraten? Zu dieser vieldiskutierten Frage zeigt das Projekt, dass die Deutschen Demokratie für etwas hielten, das gelebt werden musste, für etwas, das sich im Prozess zu vollziehen hatte. Und dieses Demokratie-Leben – so die zentrale These – war ein Projekt der sozialen Nähe. Konzepte der sozialen Nähe, wie Nachbarschaft, Gruppe, Gemeinschaft oder Familie, waren mit Vorstellungen von Demokratie, Politik, Volk und Staat verschmolzen und bestimmten das Handeln der Menschen.

Disziplinierende Demokratie. Administrative Freiheitsentzüge und demokratisches Selbstverständnis – Geschichten aus dem Kanton Zug (1940 –1985)

Judith Kälin

Einweisungen in Arbeitserziehungsanstalten ohne strafrechtliches Verdikt wurden in demokratischen, westeuropäischen Staaten nach dem 2. Weltkrieg zum Problem. Sie liessen sich kaum mit den neuen Ansprüchen an die Demokratie vereinen, den Einzelnen durch den Ausbau rechtsstaatlicher Mechanismen besser vor dem Willen der Mehrheit oder staatlicher Willkür zu schützen. Nicht so in der Schweiz. Hier konnten bevormundete Bürgerinnen und Bürger bis Mitte der 1980ger-Jahre von lokalen Behörden ausserhalb des strafrechtlichen Kontextes zu einer Arbeitserziehung in einer geschlossenen Anstalt gezwungen werden. Durch eine mikrogeschichtliche Analyse untersucht das Projekt die für diese Einweisungspraxis relevanten Herrschaftsstrukturen und Denkfiguren. Dabei werden nicht nur bisher kaum beachtete Verschiebungen und Kontinuitäten sichtbar, sondern auch deren Zusammenhang mit einer spezifischen Vorstellung von Demokratie.

Die menschliche Natur als Argument: Vergleichende Verhaltensforschung und politische Öffentlichkeit, 1950-2000

Jakob Odenwald

Was ist die Natur des Menschen? Seit dem Ende der 1950er Jahre forschten am Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu angeborenen Verhaltensmustern bei Tieren und Menschen. Sie gaben Antworten auf diese Frage, die nicht nur kontroverse Debatten auslösten, sondern auch populäre Vorstellung davon prägten, was es heißt, Mensch zu sein. Das Projekt rekonstruiert die Geschichte dieses biologischen Denkstils zwischen 1960 und 1990 und fragt nach wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Kontexten, in denen er plausibel und wirkmächtig wurde. Das Projekt leistet damit einen Beitrag zur Zeitgeschichte der biologischen Wissenschaften und schreibt die ‘menschliche Natur’ ein in die Geschichte der Bundesrepublik.  

Rumours of War. Fear, Violence and the Politics of Belonging in Late Apartheid South Africa

Dr. Franziska Rueedi

In diesem Projekt wird die Rolle von Sprache und Emotionen in gewalttätigen
Konflikten während des letzten Jahrzehnts der Herrschaft der weißen Minderheit in
Südafrika untersucht. Im Zentrum des Projekts stehen die Erfahrungen von
Gemeinschaften, die unter dem Banner des African National Congress (ANC) und
der Zulu-Nationalist Inkatha Freedom Party (IFP) an der eskalierenden Gewalt
beteiligt waren. Basierend auf Interviews mit Konfliktteilnehmern und einer Vielzahl von Archivquellen werden die Bedeutungen und Formen von Gewalt sowie die Frage untersucht, was Menschen zu gewalttätigen Aktionen mobilisiert hat. Eine Analyse von Propaganda, Gerüchten und anderen Formen der Sprache enthüllt die Zusammenhänge zwischen Überzeugungen, Vorurteilen und Ängsten und der Entstehung von Kategorien von Insidern und Outsidern.

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