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Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte

Manuel Kaiser

Taming the Weather. Wetter- und Klimamodifikationsdiskurs im Kalten Krieg (Arbeitstitel)

Das Dissertationsprojekt befasst sich mit der Produktion und Zirkulation von Wetter- und Klimawissen im Kalten Krieg mit besonderem Fokus auf das Wissen zur gezielten und kontrollierten Wettermodifikation.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges etablierte und verbreitete sich ein Wettermodifikations-Diskurs, der bis in die 1970er Jahre hinein unterschiedliche Akteure aus unterschiedlichen Wissensfeldern nicht nur über die gezielte und kontrollierte Beeinflussung von Wetter- und Klimaphänomen nachdenken liess, sondern auch konkrete Labor- und Feldexperimente generierte. Aufkommende Umweltbedenken, die problembehaftete Wissensproduktion und –stabilisierung, die Einsicht in die Komplexität einer global zirkulierenden Atmosphäre, sowie die Etablierung erster Konzepte eines ungewollten und unkontrollierten Klimawandels führten zur Problematisierung und schließlich zur Marginalisierung des Diskurses.

Die zentrale, überordnete Frage des Projektes lautet, wann, wie, in welchem Kontext, mit welchen Wissensfeldern interagierend formierte, etablierte, verbreitete sich der Diskurs zur Wetter- und Klimamodifikation? Und daran anschließend: Wie und wann wurde dieser Diskurs problematisiert, beschränkt und schließlich marginalisiert?

Der Wetter- und Klimamodifikationsdiskurs war auf verschiedenen Ebenen mit dem Kalten Krieg verschränkt: Im Kontext des Systemkonflikts entwickelte Technologien wie Computer und Satelliten, sowie der ebenfalls mit geopolitischen Implikationen erfolgte Ausbau des Messnetzwerkes generierte die Vorstellung der Atmosphäre als ein zwar komplexes, aber letztlich prognostizier- und beherrschbares physikalisches System.

In Analogie zur Atombombe wurde zudem die Wettermodifikation zur „Wetterwaffe“ weitergedacht, womit der Diskurs – zumindest zeitweise – in die binäre Logik des Systemkonflikts integriert wurde. Pläne von globaler Klimakontrolle boten hingegen auch die Aussicht auf ein internationales Projekt über die Blockgrenzen hinweg und wurden entsprechend als Alternative zum Wettrüsten verhandelt. Dabei blieb es nicht bei bloßer Abrüstungs- und Friedensrhetorik: Es gab sowohl Institutionen wie die Meteorologische Weltorganisation (WMO) als auch Orte wie Fachzeitschriften und Konferenzen, wo Wissen auch über den Eisernen Vorhang hinweg ausgetauscht und diskutiert werden konnte. Eine Wissensgeschichte der Wettermodifikation verlangt somit auch der Periodisierung und Konjunkturen des Kalten Krieges Rechnung zu tragen und nach den Grenzen von dessen Wirkmächtigkeit zu fragen.

Das Projekt verfolgt eine wissensgeschichtliche Herangehensweise und fragt einerseits nach diskursiven Mustern und Genealogien und greift andererseits eine vom practical turn der Wissenschaftsgeschichte inspirierte Analyserichtung auf, um anhand verschiedener, beispielhafter Case Studies zu analysieren, mit welchen Vorstellungen von Objektivität und Evidenz Wissen zur Wettermodifikation in Labor- und Feldexperimenten produziert, repräsentiert und mit welchen Speicher- und Darstellungsmedien stabilisiert wurde.

Das für die Wissensgeschichte konstitutive Konzept der Zirkulation ist in dreifacher Hinsicht tragend für das Projekt: Es eröffnet erstens die Fragerichtung nach der Interaktion mit anderen Wissensfeldern: Welche Impulse aus anderen Wissensfeldern bekam der Wettermodifikations-Diskurs? Welche Begriffe und Argumente finden an anderen Orten, in welcher Form Verwendung? Zweitens stellt sich die die Frage nach der Zirkulation zwischen esoterischem Zirkeln der Fachwissenschaft und dem exoterischen Alltagswissen, wobei dies nicht als einseitiger Wissenstransfer gedacht wird, sondern als ein wechselseitiger, dynamischer Prozess. Und drittens schließlich die Frage, ob und in welcher Form, mit welchen Transformationen Wissen über institutionelle, politische und ideologische Grenzen hinweggleiten konnte.

Der Quellenkorpus des Projektes ist heterogen und setzt sich aus Fachmonographien, Fachjournals, Tagungsbänden, aber auch populärwissenschaftlichen Publikationen, Tages- und Wochenzeitungen bis hin zu populärkulturellen Erzeugnissen aus dem englisch- und deutschsprachigen Raum zusammen. Anhand dieser Quellen lassen sich die Debatten der international stark vernetzten Scientific Community, sowie die Produktion und Zirkulation des Wettermodifikations-Wissens nachvollziehen und analysieren. Sowjetunion und DRR finden aus pragmatischen Gründen nur Berücksichtigung, falls sie an Debatten der Scientific Community in Journals oder Konferenzen beteiligt waren.

CV

  • Seit 2015 Mitglied des Graduiertenkollegs des Zentrums "Geschichte des Wissen" (Universität Zürich/ETH Zürich)
  • Seit Oktober 2013 Dissertationsprojekt bei Prof. Dr. Philipp Sarasin. Gefördert durch den Schweizerischen Nationalfonds
  • 2010 – 2012 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen und Völkerkundemuseum St.Gallen
  • 2003 – 2010    Studium der Allgemeinen Geschichte, Neueren Deutschen Literatur und Kunstgeschichte an der Universität Zürich und der Humboldt-Universität zu Berlin. Abschluss mit der Lizentiatsarbeit „Ärzte im Anzug. St.Galler Ärzte im 19. Jahrhundert.“

Forschungs- und Interessengebiete

Wissensgeschichte des Kalten Krieges, Meteorologiegeschichte, Medizingeschichte

Publikationen

Zwischen Kontinuität und Umbruch: St. Galler Ärzte und Medizin im 19. Jahrhundert in: Mähr, Monika (Hg.), Zeit für Medizin: Einblicke in die St.Galler Medizingeschichte (anlässlich der gleichnamigen Sonderausstellung im Historischen und Völkerkundemuseum St.Gallen vom 28. Mai 2011 bis 20. Mai 2012), St.Gallen 2012, S. 51-57.

Die St.Galler Mittelalter in: Schnoor, Franziska, Schmucki, Karl, Frigg, Silvio (Hrsg.): Schaukasten Stiftsbibliothek St.Gallen: Abschiedsgabe für Stiftsbibliothekar Ernst Tremp, St.Gallen 2013, S. 138-143.

Die Verschwörungstheorien der „Klimawandelskeptiker“ auf: geschichtedergegenwart.ch, 15.09.2016.

Kommende Kälte: Eiszeittheorien in den 1970er-Jahren, in: Nach Feierabend: Zürcher Jahrbuch für Wissensgeschichte, Zürich 2017.

„Das ist die falsche Frage.“ Der Ökologe Chris­toph Küffer über die ökologische Krise, Prognosen und die Environmental Humanities auf: geschichtedergegenwart.ch, 10.01.2018. (Interview)

Rezension zu: : Die Machiavellis der Wissenschaft. Das Netzwerk des Leugnens. Weinheim  2014 , in: H-Soz-Kult, 15.07.2016.

Rezension zu: : Inventing Atmospheric Science. Bjerknes, Rossby, Wexler, and the Foundations of Modern Meteorology. Cambridge  2016 , in: H-Soz-Kult, 09.01.2017.

Rezension zu: : Die Schweiz im Kalten Krieg 1945–1990. Baden  2017 , in: H-Soz-Kult, 09.01.2018.

Aktivitäten

‚Taming the Weather’: Simulationen, Prognosen und Wettermodifikation im Kalten Krieg, 18.03.2016 (Referat im Rahmen des ZGW-Workshops „Raum und Wissen: Die Atmosphäre im wissenschaftlichen und literarischen Fokus“, an der Universität Zürich).

Szenarien, Simulationen, Prognosen. Kalter Krieg als Geschichte der Gegenwart (zusammen mit Patrick Kilian), 25.02.2016 (Referat im Rahmen der Plattform „Geschichte der Gegenwart“ an der Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Universität Zürich).

‘Taming the Weather’: Scientific and Public Weather Modification Discourse during the Cold War, 22.01.2016 (Referat im Rahmen des Studientags „Science that Came in from the Cold: Epistemology, Rationality and Cold War Scientific Culture“, an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, mit Prof. Dr. Michael Gordin, Princeton).

‚Big Bombs’ – ‚Small Nuclei’: Wettermodifikation im Kalten Krieg, 11.05.2015 (Referat im Rahmen des Workshops „Kulturgeschichten des Kalten Krieges“ mit Prof. Dr. Siegfried Weichlein (Univ. Fribourg), Universität Zürich).

Von Wolkendaten zu „Datenwolken“: Zum Verhältnis von Theorie, Empirie und Datenerhebung in der Wolkenphysik, 17.09.2016 (Referat im Rahmen der Jahrestagung der der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik in Lübeck).

Simulation und Kontrolle: Wetter- und Klimamodifikation und das ‚algorithmische Denken’, 12.10.2017 (Referat im Rahmen des Workshops „Das algorithmische Denken“ am Deutschen Museum in München).

Trigger – Kleiner Auslöser mit großer Wirkung: 
Zur Wissensgeschichte einer Denkfigur des Klimamodifikationsdiskurses, 24.02.2018 (Referat im Rahmen der Tagung „Künstliches Klima. Zur Imaginationsgeschichte des Climate Engineering“ an der Freien Universität Berlin).

Weiterführende Informationen

manuel kaiser

Lic. phil. Manuel Kaiser

Mail: manuel [at] kaiser.sg